Im Zuge der Entwicklung klimaresilienter Streuobstsysteme gewinnt die Qualität des Pflanzguts zunehmend an Bedeutung. Die Unterlagenproduktion stellt einen kritischen Schritt dar: Standardisierte, mehrfach verschulte Unterlagen mit eingeschränkter Wurzelentwicklung verhindern den Anschluss, dass Obstbäume an tiefere, wasserführende Bodenschichten gelangen. Dies kann Wasserstress in Trockenperioden fördern. Auch Containerpflanzen weisen mit kreisförmigem Wurzelwuchs Defizite auf, während lange Kulturzeiten epigenetische Anpassungen an den Zielstandort erschweren und die Resilienz der Obstbäume mindern.
Damit langfristig alte Bäume von 100 bis 150 Jahren wachsen können, ist neben der Pflanzware auch das Pflanzsystem entscheidend. Dazu gehören dichtere Pflanzungen, Bodenbeschattung, Humusaufbau sowie die Stabilisierung mikroklimatischer Gegebenheiten. Zusätzliche Ammenbaumpflanzungen binden Stickstoff und bedingen eine schnellere Anbindung der jungen Obstbäume an ein Mykorrhiza Netzwerk. Sie tauschen mit den Bäumen Kohlenhydrate aus und werden dadurch im Wachstum und Überleben unterstützt. Gerade in Trockenzeiten sind Pflanzen mit einer guten Mykorrhiza-Symbiose widerstandsfähiger.
Im Rahmen eines praxisorientierten Projekts werden diese zwei Aspekte aufgegriffen und verschiedene Unterlagen von Apfel- und Birnen in einem alternativen Aufzuchts- und Pflanzverfahren erprobt. Die Wahl der Unterlagen basiert auf einer Literaturrecherche historischer Werke; die Anzucht der Samen erfolgt in sogenannten Pflanzpatronen. Ziel ist die Etablierung robuster Bäume mit gesunder Wurzelarchitektur und hoher Anpassungsfähigkeit an extreme Standortbedingungen. Hierfür wird auch der natürliche Rhythmus der Bäume während der Etablierungsphase ausgenutzt, weshalb die jungen Sämlinge ca. 3 bis 4 Monate nach der Keimung an ihren Ziel-Standort verpflanzt werden. Die Pflanzung erfolgt in sogenannten Affoltern, wo sie in Vergesellschaftung mit weiteren Arten anwachsen. Diese Methode orientiert sich an forstlichen Qualitätsstandards (z. B. epigenetische Anpassung, morphologische Vitalität, u.a.) und soll durch geringe Eingriffe und standortnahe Entwicklung die Resilienz der Bestände verbessern.
Projekttitel: Klimafitte Anzuchts- und Etablierungsverfahren für den StreuobstbauFördergeber: Ministerium für Ernährung, Ländlicher Raum und Verbraucherschutz.
Projektlaufzeit: 07/25 - 12/27
Projektpartner: Arbeitsgemeinschaft Wurzel des Pomologen Verein e.V.;
die-Ableger und Botanik Weißenburg
Projektleitung: Dr.-Ing. Janet Maringer und Christoph Schulz
(fp-wurzel@pomologen-verein.de)
Pflanzen aus Pflanzpatronen oder Air-Pruning-Töpfen sind ideal, um Drehwuchs zu vermeiden. Das Air-Pruning-Verfahren optimiert das Wurzelsystem von Keimlingen und Jungpflanzen, indem es die natürliche Reaktion der Wurzeln auf Luft nutzt.
Air-Pruning-Töpfe verfügen über Öffnungen in den Seitenwänden, während Pflanzpatronen aus einem biologisch abbaubaren Netz bestehen. Sobald die Wurzeln mit Luft in Kontakt kommen, trocknen die Spitzen leicht an, wodurch das weitere Längenwachstum stoppt. Gleichzeitig regt dieser Prozess die Bildung zahlreicher Seitenwurzeln an. Das Ergebnis ist ein dichteres und kräftigeres Wurzelsystem ohne Drehwuchs der Fein- oder Pfahlwurzeln.
Die Sämlinge werden entsprechend ihres natürlichen Wuchsimpulses gepflanzt. Dies geschieht bereits 3 - 4 Monate nach der Keimung. Werden sie in diesem jungen Stadium an ihren Zielort (vergesellschaftet mit Begleitpflanzen) gepflanzt, dann verwenden sie ihre Assimilate (Stoffe aus dem Stoff- und Energiewechsel der Pflanzen) für den Aufbau ihres Wurzelsystems. Schauen wir uns bspw. Apfelsämlinge an, dann bilden diese bei ungestörtem Wachstum die 3 - 5 fache Wurzellänge des oberirdischen Triebs aus.
Nach der Pflanzung an den endgültigen Standort wachsen die leicht angetrockneten Wurzeln problemlos weiter. Besonders Arten mit ausgeprägter Pfahlwurzel – wie Esskastanie (Castanea sativa) oder Walnuss (Juglans regia) – profitieren davon, da sie empfindlich auf Wurzelrückschnitte reagieren. Botanik Weißenburg hat eine spezielle Pflanzpatrone entwickelt. Sie besteht aus einem Wolle-Hanf-Gemisch und ist damit vollständig biologisch abbaubar. Im vorliegenden Projekt werdend die gesammelten Apfel- und Birnensamen von Botanik Weißenburg aufgezogen und in Affolter gepflanzt.
Ein Affolter soll möglichst natürliche Wuchsbedingungen auf kleinem Raum nachbilden. Dazu stellen wir uns die Fragen, wie Obstbäume unter natürlichen Bedingungen wachsen? Wir richten dazu unseren Blick nach Osten - nach Kasachstan. Hier wachsen Apfelbäume in Waldgesellschaften. Aber auch in unseren Breiten wuchsen noch vor 100 Jahren Apfel- und Birnenbäume in Wäldern. Vor diesem Hintergrund testen wir im Projekt, ob Obstbäume besser in Vergesellschaftung mit anderen passenden Wildpflanzen wachsen, als mit weiten Abständen zu anderen Bäumen auf einer Wiese.
Unsere Testflächen für die Affolter liegen in Baden-Württemberg auf zumeist flachgründigen, kalkreichen Böden. Als Begleitpflanzen für unsere Apfel- und Birnenbäume wählten wir:
Die Gehölze sind der LUBW-Broschüre ,,Gebietseigene Gehölze in Baden-Württemberg” entnommen. Es handelt es sich speziell um heimische Gehölze für die Landkreise Reutlingen und Tübingen.
Durch die vielen verrottenden Pflanzenteile (Laub, Zweige) in einem Laubwald, sind deren Böden meist nährstoffreich und feucht. Deshalb bauen wir bereits im Herbst vor der Pflanzung ein Holzgestell, welches wir mit Laub und fragmentiertem Zweigholz füllen (ca. 20 cm). Die Höhe der holzigen Seitenwände richtet sich nach dem Wild- und Beweidungsdruck. Gleichzeitig schützt die Umrandung vor zu viel Sonne und austrocknenden bodennahen Winden.
Um mehr zu erfahren wie das Affolter-Prinzip funktioniert, klicken Sie in der Präsentation auf die runden Informationskreise.
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